Der Marchtaler Plan

Kennen Sie das Kloster Obermarchtal? Am Fuße der Schwäbischen Alb und direkt an der Donau gelegen hat die Kirchlichen Akademie der Lehrerfortbildung der Diözese Rottenburg-Stuttgart hier ihren Sitz. Da der Marchtaler Plan vorwiegend von der Akademie entwickelt wurde, hat der heute verbindliche Rahmenplan für die Katholischen Freien Schulen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart seinen Namen nach dem Ort seiner Entstehung erhalten.

Bei der Arbeit auf der Grundlage des Marchtaler Plans geht es um ein Lernen mit Kopf, Herz und Hand. Dazu bedarf es nicht nur einer Wert- und Sinnorientierung, sondern auch um die Entwicklung eines eigenverantwortlichen Lernens, der Entfaltung der Sozialkompetenz der Kinder sowie der religiösen Erziehung. Teamfähigkeit, Verantwortungsbereitschaft und Selbstständigkeit sind weitere Schlüsselqualifikationen auf die Wert gelegt wird. Somit wird eine ganzheitliche und soziale Erziehung angestrebt, bei der das Kind immer im Mittelpunkt steht.

Mit dem Marchtaler Plan liegt eine in sich geschlossene und durchgängige Konzeption von Erziehung und Bildung für alle Schultypen und Klassenstufen vor. Inhaltliche Grundlage sind die Lehrpläne des Landes Baden-Württemberg. Aufbauend auf dem christlichen Menschenbild wird versucht, mithilfe von vier wesentlichen Strukturelementen (s.u.) diese Inhalte den Kindern und Jugendlichen zu erschließen. Diese stellen wir Ihnen auf den nachfolgenden Seiten vor.

Morgenkreis

Der Morgenkreis eröffnet die Schulwoche und kennzeichnet diese als neu geschenkte Aufgabe. Lehrer und Schüler kommen in der Gemeinschaft der Klasse an. Deshalb stehen im Zentrum des Morgenkreises die Menschen, die hier einander begegnen.

Morgenkreise ermöglichen Begegnungen mit der Schöpfung, mit dem Nächsten, mit sich selbst und mit Gott. Dies geschieht u.a. in Sinnesübungen, Spielen, Meditationen, Bibelgesprächen, Gebeten und weiteren liturgischen Formen. Aber auch Glaubensfragen, aktuelle Geschehnisse, Problemsituationen innerhalb der Klasse oder der Schulgemeinschaft, persönliche Anliegen und fröhliche Begebenheiten können eingebracht und besprochen werden. Im Mitteilen von Gefühlen, Empfindungen und Erfahrungen entwickeln sich die Persönlichkeit sowie soziale und sprachliche Fähigkeiten.

Der Morgenkreis ermöglicht es, die tiefe Emotionalität der Schüler, den Raum für personale Begegnung und die Zeit für das Wachsen von Beziehungen innerhalb der Klassengemeinschaft in besonderer Weise zu schätzen und zu fördern.

Freie Stillarbeit

Die Freie Stillarbeit eröffnet täglich das schulische Arbeiten und trägt zur Rhythmisierung der Schultage bei. Anspruch und Ziel der Freien Stillarbeit ist die Entwicklung der Persönlichkeit des Schülers, die Einübung eines verantwortungsvollen Umgangs mit individueller Freiheit und die Erweiterung sozialer Fähigkeiten sowie die Selbsttätigkeit beim Erwerb von Fertigkeiten und Kenntnissen durch eigenverantwortliches Arbeiten und Handeln.

Das individuelle Vorwissen der Schüler ist dabei Ausgangspunkt für das eigene Lernen, das persönliche Interesse dessen Motor. Inhaltlich verbundene oder aufeinander aufbauende Materialien ermöglichen es, das Lernen zielgerichtet und nachhaltig zu gestalten.

Die Schüler können und sollen das Arbeitsthema, die Arbeits- und Zeiteinteilung, den Arbeitspartner sowie den Arbeitsplatz relativ frei wählen.

Entsprechend ihrem individuellen Förderbedarf (insbesondere bei besonderen Begabungen, Teilleistungsstörungen oder festgestelltem Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot) werden den Kindern und Jugendlichen entsprechend angepasste Arbeitshilfen und Arbeitsmaterialien angeboten.

Während der Freien Stillarbeit begleiten die Lehrkräfte die Schüler auf ihrem Weg des selbstorganisierten und selbstverantworteten Arbeitens und Lernens. Dabei leisten sie motivierend und beratend Hilfestellung im Sinne des Prinzips „Hilf mir, es selbst zu tun“  und sorgen für eine ungestörte Arbeitsatmosphäre.

Vernetzter Unterricht

Im Vernetzten Unterricht begegnen sich Lehrer, Schüler und „Sachen“ und treten zueinander in Beziehung. Hauptaufgabe des Lehrers ist es dabei, Lernsituationen zu schaffen, die eine „fruchtbare Begegnung“  von Schülern und Sache herbeiführen können.

Vernetzter Unterricht schafft durch eine gute Struktur Klarheit und hilft, Zusammenhänge und Hintergründe zu erschließen. Dadurch kann er eine maßgebliche Hilfe bei der Orientierung in einer immer ausdifferenzierteren und damit zunehmend vielschichtigen und unübersichtlichen Lebenswelt darstellen.

Da zur Erkenntnis der Wirklichkeit und zu einem verantwortlichen Umgang damit ganz selbstverständlich auch die religiöse und ethische Dimension gehören, sind existentielle Fragestellungen des Menschen wie diejenigen nach dem Woher, Warum und Wohin integraler Bestandteil aller Vernetzten Unterrichtseinheiten.

In eine Vernetzte Unterrichtseinheit fließen die in der jeweiligen Entwicklungsstufe erfassbaren naturwissenschaftlichen, gesellschaftspolitischen, geisteswissenschaftlichen, musisch-ästhetischen und handwerklich-technischen Aspekte des jeweiligen Themas ein. Die Inhalte der einzelnen Fachwissenschaften werden grundsätzlich nur so weit in die Vernetzung einbezogen, wie dies sachlich und entwicklungspsychologisch geboten ist.

Fachunterricht

Wo fachwissenschaftliche Inhalte weder im Vernetzten Unterricht in Erscheinung treten noch als Grundlage für Selbstbildungsmaterialien in der Freien Stillarbeit oder den Freien Studien dienen, bildet der Fachunterricht ein weiteres Strukturelement des Marchtaler Plans.

Auch wenn im Fachunterricht die jeweiligen spezifischen Methoden und Sichtweisen der unterschiedlichen Fachdisziplinen stärker im Vordergrund stehen, als dies in der Regel im Vernetzten Unterricht der Fall ist, verbinden ihn doch sehr viele Grundanliegen mit diesem. Auch hier steht die „fruchtbare Begegnung“ zwischen Schülern und Sachen im Mittelpunkt, auch hier ist immer wieder nach der Bedeutung der Inhalte für die Persönlichkeitswerdung des Schülers zu fragen.

Der Fachunterricht ist im Wesentlichen von denselben Haltungen und Zielsetzungen geprägt wie der Vernetzte Unterricht. Im Zusammenwirken der Strukturelemente lernen die Schüler sowohl eine stärker auf die Eigengesetzlichkeiten der Fachgebiet konzentrierte Herangehensweise kennen als auch ein Vorgehen, das die Zusammenhänge ins Zentrum der Betrachtung rückt. Indem ihnen beide Betrachtungsweisen zur Verfügung stehen, eröffnen sich für die Kinder und Jugendlichen wertvolle Handlungsspielräume im Umgang mit den Weltphänomenen.

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